Tschö Struktur
Sobald mein Thema feststand, sprudelte ich nur vor Ideen für mein Buch: Worüber ich schreiben möchte, was angesprochen und thematisiert werden soll. Ich fing also an zu recherchieren, Bücher von Wissenschaftlern und Psychologen zu lesen. Je mehr ich mich mit dem Thema befasste, desto mehr Zusammenhänge wurden mir plötzlich klar. Meine Gedanken überschlugen sich und ich fing an mir alles aufzuschreiben, um es nicht zu vergessen. Abwechselnd schrieb ich meine Notizen auf Post-its, ins Handy, in meinen Block und mein Notizbuch. Ob ich gerade las, Serie schaute, unter der Dusche stand, in der S-Bahn saß oder kurz vorm Einschlafen war. Immer wieder ploppten neue Eingebungen auf, denen ich nachgehen wollte.
Ich schreibe in der Vergangenheitsform, weil sich dieser Gedankenhagel mittlerweile etwas gelegt hat. Aber an manchen Tagen, wenn ich wieder neue Seiten geschrieben habe oder mich mit meiner Coachin Svenja oder Freundinnen über das Buch unterhalte, werde ich neu inspiriert und die Gedankenmühle fängt wieder an zu mahlen.
Die Struktur steht, oder?
Aber so kam es, dass ich gefühlte 10 000 Erkenntnisse hatte, die alle in das Buch müssen. Aber wie soll ich diese bitte alle sortieren und in eine sinnvolle Struktur bringen? Auch hier half mit Svenja wieder. Sie gab uns den Tipp unsere Ideen alle zu sammeln und zu sortieren. Welche Themen gehören zusammen und sollen gemeinsam besprochen werden? Was kann in einen anderen Teil? Und so wurden meine Gedanken entwirrt und ich hatte meine Buchstruktur mit den fünf Kapiteln Verbundenheit der Generationen (Einleitung), Wut, tiefer Schmerz, Angst und Stärke. Wow. (Spoiler Alert: Die Struktur hat sich zwei Wochen später nochmal komplett verändert).
Die letzte Aufgabe im Kurs war es, das erste Kapitel zu schreiben.
Was war ich aufgeregt. Alles zu planen ist das eine. Diese Ideen dann aufs Papier zu bringen und tatsächlich das Buch zu schreiben, etwas ganz anderes. Um weiterhin Unterstützung von Svenja und regelmäßig Feedback zu bekommen, buchte ich ein 1:1 Coaching bei ihr. Alle drei Wochen schicke ich ihr 20 neue Seiten zu denen sie mir Feedback gibt. Und bereits nach der ersten Besprechung wusste ich: Das ist jeden Cent wert. Ich hatte schon beim Schreiben das Gefühl, irgendwie so meine Probleme mit der Struktur zu haben. Beim Sortieren meiner Ideen hatte sie noch Sinn ergeben, doch beim Schreiben merkte ich, dass ich einige Situationen, die ich besprechen möchte, nicht nur einer Emotion zuordnen kann. Dann müsste ich diese mehrfach erzählen. Was auch wieder keinen Sinn macht. Deswegen war ich doppelt gespannt, was Svenja von meinen ersten Seiten denkt.
Das Feedback: Geh mehr aus dir raus! Trau dich mehr.
Sie hatte das Gefühl, ich schreibe noch mit angezogener Handbremse. Und genau so war es auch. Ich möchte niemandem auf die Füße treten, überlege natürlich beim Schreiben was die Person dazu sagen könnte, die involviert ist. Außerdem mache ich mich auch in einer bestimmten Form angreifbar. Ich kehre mein Innerstes nach Außen und erzähle auch private Dinge über mich, die ich eigentlich nicht einfach jedem erzählen würde. Das Absurde ist: Ich sage so oft zu Freund:innen, dass Schwäche zeigen eine Stärke ist. Dass es völlig in Ordnung ist sich Hilfe zu suchen und zuzugeben, dass man gerade überfordert ist oder sich in dem Gebiet x noch nicht so gut auskennt und Unterstützung braucht. Nur kann ich so unfassbar schlecht um Hilfe bitten. Das ist wirklich absurd. Rational betrachtet weiß ich, dass Schwäche zeigen eine Stärke ist. Umsetzen kann ich das trotzdem nur schwer.
Aber das Feedback von Svenja, dass sie an dieser und jener Stelle noch gerne viel mehr über die Situation und meine Emotionen erfahren möchte, hat mich darin bestärkt, aus mir rauszugehen. Alles auf den Tisch zu legen und mich zu trauen die Dinge anzusprechen, die ich thematisieren möchte. Ohne darüber nachzudenken was andere darüber denken könnten.
Wir haben die Struktur nochmal komplett über den Haufen geworfen.
Jetzt nehme ich die Leserschaft mit auf meine Entdeckungsreise, die ich selbst angetreten bin. Im ersten Teil schreibe ich abwechselnd über Situationen, in denen ich unerklärliche körperliche und emotionale Reaktionen auf vermeintlich harmlose Situationen hatte. Und die Lebensgeschichten meiner beiden Omas. Im zweiten Teil folgt der Schlüsselmoment, in dem Licht ins Dunkle kommt und die Ereignisse werden Schritt für Schritt aufgelöst.
Seit dieser ersten Besprechung bin ich im Schreibfluss und weiß immer worüber ich als nächstes reden möchte. Mal sehen, ob diese Struktur nun bestehen bleibt oder ich doch nochmal alles über den Haufen werfe.